Die Rolle der Frau in Woyzeck und ihre zeitlose Aktualität in der Gesellschaft

Im Rahmen des Deutschunterrichts haben wir das Drama «Woyzeck» von Georg Büchner, der 1879 veröffentlicht wurde, gelesen. Aufgrund von Büchners frühem Tod erscheint das Buch als Fragment. Dies bedeutet, dass die Reihenfolge der Szenen nicht klar ist und das Drama keinen eindeutigen Schluss hat. In der Klasse begannen wir damit, das Drama gemeinsam zusammenzufassen. Anschliessend analysierten wir die Charaktere und ihre Beziehungen zueinander, und schließlich tauchten wir tiefer in die Analyse einzelner Szenen und Figuren. 

Unterrichtsstoff

Zusammengefasst erzählt das Drama das harte Leben eines Soldaten namens Woyzeck, der unter Schizophrenie leidet. Er versucht, genug Geld zu verdienen und über die Runden zu kommen, um sich und seinen unehelichen Sohn mit seiner Freundin Marie zu versorgen. Woyzeck ist arm und gehört daher zur Unterschicht. Trotzdem bemüht er sich, seinen Lebensunterhalt durch verschiedene Arbeiten zu verdienen. Sein Sozialstand erlaubt es den Menschen in seinem Umfeld, wie z.B. seinen Vorgesetzten in der Arbeit, die sich auf einer sozial höheren Stufe befinden, ihn zu demütigen. Ihm wird vorgeworfen, dass er dumm und unmoralisch sei. Solche Vorwürfe zu hören und herabwürdigend behandelt zu werden, lässt ihn psychisch leiden. Trotzdem setzt er sich ein, seine Familie zu unterstützen. Woyzeck ist aufgrund seiner komplexen Persönlichkeit und seiner Position als leidendes Individuum mit grausamem Schicksaal in der Gesellschaft des Dramas sehr interessant zu analysieren. Jedoch liegt mein Interesse bei Marie, seiner Freundin. Was ich an Marie interessant finde, ist die Tatsache, dass sie die einzige Frau in den Hauptrollen ist und viele der Woyzecks Probleme, gewissermaßen selbst erlebt. 

Marie und Woyzeck sind gleichermassen von Armut betroffen. Auch Marie wird aufgrund ihres unehelichen Sohnes aus ihrem Umfeld als moralisch verwerflich beurteilt. Im Drama wird Marie als attraktive Person beschrieben und dies wird auch vom Tambourmajor bestätigt. Er bewundert ihre Schönheit und Attraktivität. Marie fühlt sich ebenfalls zum Tambourmajor hingezogen, mehrheitlich wegen seinem sozialen Stand und der Chance, durch ihn in besseren Verhältnissen zu leben. Die Intentionen des Tambourmajors hingegen werden im Drama deutlich beschrieben. Er betrachtet Marie eher als ein Objekt und sieht in ihr lediglich einen Partner, um sein Vergnügen auszuleben.

Obwohl Woyzeck Marie finanziell so gut es geht unterstützt, reicht es kaum, um die Position seiner Familie in der Gesellschaft zu erhöhen. Ihr Verlangen nach einem besseren Leben für sie und ihren Sohn ist so gross, dass sie die Aufmerksamkeit des Tambourmajors, der ihr teure Sachen schenkt, annimmt. Schliesslich geht sie Woyzeck fremd. 

Der Unterschied zwischen Marie und Woyzeck liegt darin, dass obwohl Woyzeck psychisch krank ist, er dennoch einen gewissen Stand und Privilegien in der Gesellschaft hat. Zum einen ist er ein Mann in einer patriarchalen Gesellschaft und zum anderen hat er die Möglichkeit überhaupt, irgendwo zu arbeiten. 

Die moderne Ausbeutung

Maries Situation ist gut mit Situationen mancher heutiger Frauen vergleichbar. Viele Frauen geraten in Situationen, in denen sie keine Kontrolle mehr über ihr eigenes Leben und ihre eigenen Entscheidungen haben. Persönliche Umstände wie Armut können ausgenutzt werden, um Frauen in gefährliche Situationen mit falschen Versprechen zu bringen, wie die Zwangsprostitution mit Versprechen auf Geld. Die Schwierigkeit der Armut und die Notwendigkeit von Geld können viele Menschen in Situationen bringen, in denen sie sexuell ausgebeutet werden. Dies ist nichts Ungewöhnliches. Laut dem Global Slavery Index lebten 49,6 Millionen Menschen auf der ganzen Welt im Jahr 2021 in moderner Sklaverei. Die moderne Sklaverei umfasst diverse Praktiken, wie Zwangsarbeit, Zwangsheirat, Sklaverei und Menschenhandel. Im Allgemeinen handelt es sich dabei um Ausbeutungssituationen, die eine Person aufgrund von Gewalt, Nötigung oder Machtmissbrauch nicht verlassen kann. 12.7% der 49,6 Millionen Menschen in moderner Sklaverei sind von sexueller Ausbeutung betroffen.

Dazu zeigt die Global Slavery Index, dass solche Ausbeutungen grösstenteils in Entwicklungsländern stattfinden. Nordkorea steht auf erster Stelle mit der höchsten Verbreitung der modernen Sklaverei. Im Jahre 2018 waren 2.6 Millionen Menschen in Nordkorea Opfer der modernen Versklavung. Davon sind viele Frauen betroffen. Aufgrund wirtschaftlicher Not gehen sie Verträge mit Menschenhändlern ein, die ihnen Versprechen auf Arbeitsmöglichkeiten geben, die dann oft in Zwangsprostitution enden. 

 Im Gegensatz zu Nordkorea ist Maries Situation nicht so bedrohlich wie Zwangsprostitution. Aber wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, auf andere Weise Geld zu verdienen, z.B. durch einen Job, wäre sie sicherlich darauf eingegangen. Im 19.Jahrhundert hatten Frauen sehr wenige Rechte und wurden der Rolle als Mutter und Hausfrau zugeschrieben. Sie hatte also keine Möglichkeit anders sozial aufzusteigen. 

Fazit

Es scheint, als wäre Marie zu nichts gezwungen worden. Doch der Druck der Armut, das Verlangen nach Geld und die Macht des Tambourmajors darauf, ihren sozialen Stand zu verbessern, drängen sie indirekt dazu, eine Affäre mit ihm einzugehen. So hat auch der Tambourmajor erreicht, dass er eine Partnerin hat, mit der er sein Vergnügen ausleben kann.

Hiermit möchte ich zeigen, dass Ausbeutung und Missbrauch auch heute noch als Lösung für soziale Probleme genutzt werden.

Wir können feststellen: Es war noch nie so wichtig wie jetzt, sich für die Menschenrechte einzusetzen.